Am 22.05.2024 wurde durch die Senatsverwaltung für Bildung mitgeteilt, dass die Stunden für den Profilbedarf II an allen Berliner Schulen gestrichen werden. Gespräche mit uns oder andere Formen der Beteiligung von unserer Seite zu dieser Maßnahme gab es im Vorfeld nicht.

Wozu wurden diese Stunden bislang durch die Schulen genutzt?

Abhängig von den bezirklichen Gegebenheiten werden damit

  • zusätzliche Wahlpflicht- oder Oberstufenkurse eingerichtet, mit denen sich die Schule ein eigenes Profil - über das Standardangebot hinaus - geben kann,
  • besondere Lerngruppen aufgebaut, die es abschlussgefährdeten und schuldistanten Schüler:innen ermöglichen, doch noch einen Schulabschluss zu erreichen, und
  • Schulentwicklungsprojekte ermöglicht, durch die neue Formen des Lernens etabliert werden.

Dies wird in Zukunft nicht mehr möglich sein!

Warum geht die Senatsverwaltung für Bildung diesen Schritt?

Dazu sagt das Schreiben Folgendes: „Im Sinne der Bildungsgerechtigkeit aller Schülerinnen und Schüler und der Solidarität gegenüber den Kolleginnen und Kollegen an Schulen in besonders herausfordernder Lage habe ich deshalb die schmerzhafte Entscheidung getroffen, die Zuweisung des Profilbedarfs II ... auszusetzen.“ Im weiteren Text wird nicht beschrieben, wie die gestrichenen 310 Vollzeitstellen diesen Schulen zugutekommen sollen. Auch diesen Schulen werden die Stunden des Profilbedarfs II gestrichen.

Solidarisches Handeln ist uns wichtig, aber wir sollten wissen, in welcher Form!

Das Schreiben erreichte die Schulen zu einem Zeitpunkt, zu dem neue Einstellungen bereits vorgenommen wurden und die Einsatzplanungen für das nächste Schuljahr meist schon abgeschlossen sind. Daher können wir aufgrund unserer langjährigen Erfahrung mit der Bildungsverwaltung nur drei mögliche Motive erkennen:

  • Wenn 310 Lehrkräftestellen aus dem Bildungssystem genommen werden, verringert sich der Lehrkräftemangel wie von selbst.
  • Alle Senatsverwaltungen sind momentan aufgefordert Einsparungen vorzunehmen. Die Streichung von 310 Lehrkräftestellen hat ein hohes finanzielles Einsparpotential und führt gleichzeitig dazu, dass wichtige Lernangebote nicht mehr gemacht werden können. Die Politiker:innen aller Parteien versichern seit vielen Jahren, dass dies nicht geschehen darf. Jetzt geht es wohl doch.
  • Die Streichung der Stunden im Profilbedarf II führt an vielen Schulen zu einer Ausstattung mit Lehrerstunden von mehr als 100%. Diese können auf absehbare Zeit keine Einstellungen mehr vornehmen. Hier erhofft man sich positive Effekte für die Schulen, die nicht genug Lehrkräfte haben. Dies hört sich im Rahmen der geforderten allgemeinen Solidarität vielleicht schön an, aber diesen „Umlenkeffekt“ wird es - wie bei der Begrenzung der berlinweiten Ausstattungsgrenze auf 96,3 % vor über einem Jahr - nicht geben. Auch diesmal werden die Bewerber:innen den Vorstellungen der Bildungsverwaltung nicht folgen, sondern Angebote aus Brandenburg und von Privatschulen annehmen, die ebenfalls händeringend Personal suchen. Es müssen vielmehr Wege gefunden werden, die Arbeit an „Schulen in besonders herausfordernder Lage“ attraktiver zu machen, und nicht versucht werden, durch eine künstliche Verknappung der Einstellungsmöglichkeiten Menschen dorthin zu lenken.

Wir können nicht erkennen, wie das Streichen von Lehrkräftestellen an allen Berliner Schulen eine Verbesserung für Schulen bewirkt, die personell unterausgestattet sind.
Daher fordern wir, die Streichung der Stunden des Profilbedarfs II zu unterlassen.

Karina Jeniche - Vorsitzende des Interessenverbands Berliner Schulleitungen (IBS)
Robert Giese - Verband der Schulleitungen in der GGG
Norman Heise - Vorsitzender des Landeselternausschusses (LEA)
Arnd Niedermöller - Vorsitzender der Vereinigung der Oberstudiendirektoren Berlins (VOB)
Ronald Rahmig - Vorsitzender der Vereinigung der Leitungen berufsbildender Schulen in Berlin (BBB)
Guido Richter und Stephan Witzke - Vorsitzende des Verbands Berliner Grundschulleitungen (VBGL)
Sven Zimmerschied - Vorsitzender der Vereinigung der Berliner ISS Schulleiter:innen (BISSS)

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